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Testfälle der Sprache
pp. 333-338
Abstract
In seiner ›Italienischen Reise‹ berichtet Goethe unter dem Datum des 3. Oktober 1786 von einer öffentlichen Gerichtsverhandlung, die er während seines Aufenthalts in Venedig im Dogenpalast verfolgt hat. Zugleich fasziniert und amüsiert glaubt er einer Komödie beizuwohnen, die ihm wie inszeniert erscheint, aber doch auf eine vergnügliche Art, die jedenfalls ungleich unterhaltsamer sei als jene »Stuben- und Kanzleihockereien«, die er aus dem deutschen Gerichtswesen her kennt. Goethes Amüsement über das buffoneske Zusammenspiel von Richtern und Advokaten reibt sich freilich mit der agonalen Grundstruktur einer Gerichtsverhandlung. Gerade vor Gericht werden ja gemeinhin keine Scheingefechte ausgetragen; die juristische Auseinandersetzung gestaltet sich vielmehr als ein auch rhetorischer Schlagabtausch, in dem leidenschaftlich um Sieg und Niederlage gerungen wird. Der agonale Prozess der Entscheidungsfindung ist durch Rede und Gegenrede sprachlich organisiert und vergegenwärtigt das rhetorische Handeln als Kampf Die Rede vor Gericht ist ein Sprechakt, der wiederum eine eingehende Reflexion über die Sprache, ihre argumentativen, aber auch manipulativen Möglichkeiten und ihre Grenzen herausfordert.
Publication details
Published in:
Brandstetter Gabriele, Doering Sabine, Blamberger Günter (2007) Kleist-Jahrbuch 2007. Stuttgart, Metzler.
Pages: 333-338
DOI: 10.1007/978-3-476-00319-5_26
Full citation:
Riedl Peter Philipp (2007) „Testfälle der Sprache“, In: G. Brandstetter, S. Doering & G. Blamberger (Hrsg.), Kleist-Jahrbuch 2007, Stuttgart, Metzler, 333–338.